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Jun
2004

Agentenkartei kehrt ins Stasi-Archiv zurück

Datum: 21.05.2003

Autor: Andreas Förster

Letzte "Rosenholz"-Lieferung durch die CIA / Material enthält Namen zehntausender HVA-Mitarbeiter

BERLIN, 20. Mai. Der amerikanische Geheimdienst CIA hat die Übergabe der vor mehr als einem Jahrzehnt erbeuteten Agentenkartei der Stasi-Hauptverwaltung A (HVA) an Deutschland im Wesentlichen abgeschlossen. In diesen Tagen wird noch eine letzte kleine Lieferung aus Washington erwartet. Insgesamt sind bislang 381 CD-Roms in Berlin eingetroffen, auf denen Kopien aus dem in den USA vorhandenen Material gespeichert sind. Die übergebene Kartei enthält die Namen von schätzungsweise 200 000 Ost- und Westdeutschen, die seit Anfang der fünfziger Jahre in den Archiven der HVA gespeichert worden sind. Zehntausende von ihnen waren als Agenten, Kuriere oder Instrukteure für die HVA tätig.

Komplizierte Aufbereitung

Kurz nach dem Fall der Mauer war es der CIA gelungen, sich in den Besitz der auf Mikrofilmen gespeicherten "operativen Registratur" der HVA zu bringen. Der Stasi-Schatz enttarnt nahezu das gesamte Quellen-Netz des Auslandsgeheimdienstes einschließlich der meist aus der DDR stammenden Kuriere und Instrukteure. 1993 ermöglichte der US-Geheimdienst seinen deutschen Partnern erstmals einen eingeschränkten Zugang zu dem Material. Verfassungsschützer durften in der CIA-Zentrale in Langley ausgewählte Kopien abschreiben. Beim Verfassungsschutz lief die Schreibaktion unter dem Codenamen "Rosenholz", der inzwischen als Synonym gilt für die der CIA vorliegende Agentenkartei.

Nach langwierigen Verhandlungen auf Regierungsebene hatte die CIA im April 2000 damit begonnen, sämtliche Teile der HVA-Kartei, die deutsche Staatsbürger betreffen, an Berlin zu übergeben. Inzwischen befindet sich das auf CD-Rom gespeicherte und intern als "Rosenholz II" bezeichnete Material in einem mit Bewegungsmelder, Code-gesicherten Türen und Videokameras ausgestatteten Hochsicherheitstrakt des Stasi-Archivs in der Normannenstraße. An besonders gesicherten Personalcomputern haben Mitarbeiter der Behörde für die Stasi-Unterlagen (BStU) damit begonnen, die von der CIA "top secret" gestempelten CD für eine spätere Auswertung durch die Behörde technisch aufzubereiten.

Eine aufwändige Tätigkeit, denn in ihrem jetzigen Zustand sind die Silberlinge für eine wissenschaftliche Analyse wertlos. So erscheinen auf dem PC-Bildschirm nach dem Einlegen der CD meist schlecht lesbare Kopien von abfotografierten Karteikarten. Unter den Faksimiles wird zusätzlich eine von CIA-Mitarbeitern ausgeführte Abschrift der zum Teil handschriftlich verfassten Karten lesbar. Diese Abschriften aber sind häufig fehlerhaft - so haben die Amerikaner etwa auf Umlaute verzichtet und ein Doppel-S durch Dollarzeichen ersetzt. Buchstaben, die auf der Vorlage nicht zu erkennen sind, wurden mit Fragezeichen gekennzeichnet. In mühevoller Kleinarbeit müssen die BStU-Mitarbeiter die Abschriften nun mit den Originalen vergleichen und gegebenenfalls korrigieren. Nur dann ist es später möglich, im Suchlauf bestimmte Namen oder Angaben am Computer zu recherchieren.

Erschwert wird die Aufbereitung noch dadurch, dass viele Karteikarten mehrfach vorhanden sind. Die Amerikaner hatten sich bemüht, schlechte Vorlagen durch technische Tricks lesbarer zu machen. Allerdings befinden sich die dabei entstandenen Dubletten fast nie hintereinander auf einer CD-Rom. Es kann also passieren, dass ein IM-Vorgang mehrfach auf verschiedenen CD gespeichert ist. Experten vermuten daher, dass sich die tatsächliche Zahl der auf den Silberlingen gespeicherten Karteikarten von jetzt noch 300 000 um ein Drittel auf rund 200 000 reduzieren wird.

In der BStU ist man überzeugt, dass sich der immense Arbeitsaufwand lohnt. Zum einen deshalb, weil sich durch die Verknüpfung der "Rosenholz"-Daten mit den Einträgen der Ende 1998 in der Gauck-Behörde entschlüsselten Sira-Datenbank der HVA die Stasi-Westspionage inhaltlich und personell nahezu komplett rekonstruieren lässt. Zum anderen hofft man, das bislang weitgehend unenttarnt gebliebene DDR-Inlandsnetz der HVA endlich aufzuklären. Damit könnten auch die Biografien mancher ostdeutscher Politiker, die in der Wendezeit aktiv waren oder noch heute in Land- und Kreistagen sitzen, eine unerwartete Korrektur erfahren.

Kaum Strafverfahren zu erwarten

Aber auch bislang unbekannten westdeutschen HVA-Spionen droht die Enttarnung. Zu strafrechtlichen Folgen könnte dies allerdings nur im Fall des noch nicht verjährten Landesverrats führen. Die bereits erfolgte Auswertung der Sira-Datenbank, in der in Kurzfassung die von den Spionen übergebenen Informationen zusammengefasst sind, hat bislang allerdings keine Hinweise auf noch ungeklärte Landesverratsfälle ergeben.

Quelle oder Kontaktperson // Der von der CIA erbeutete "Rosenholz"-Schatz besteht im Wesentlichen aus den verfilmten HVA-Archivkarteien F 16 und F 22.

Die F 16 ist die Klarnamendatei. In ihr sind die Namen aller Personen registriert, die für die HVA von Interesse waren - ob als Inoffizieller Mitarbeiter (IM), als "Zielperson" oder als "operativ interessante Persönlichkeit".

Die F 22 ist die Vorgangskartei mit den "technischen" Angaben zu den in der F 16 registrierten Personen. Durch eine Zusammenführung mit der F 16 lässt sich herausfinden, ob jemand Quelle, Kurier oder Kontaktperson war.

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